von Ella Gassert
Liebe Ella, heute habe ich etwas erlebt, was mich sehr beeindruckt hat.
So begann eine Mail, die ich vor einiger Zeit von einer Freundin erhalten hatte. Was sie darin schilderte, hat auch mich sehr angesprochen. Deshalb habe ich sie gebeten, es hier an dieser Stelle weitergeben zu dürfen.
Martina und ich hatten uns zu einem ökumenischen Gottesdienst in der Bad Segeberger Marienkirche verabredet. Wir waren frühzeitig in der Kirche und bekamen gute Sitzplätze ziemlich weit vorne. Direkt in der Reihe vor uns saß eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter. Das aufgeweckte Mädchen war immer in Bewegung und lief von einer Bank zur anderen. Viele der Gottesdienstbesucher reagierten äußerst freundlich auf sie, lächelten sie an oder redeten sogar mit ihr. Unvermittelt machte sich die Kleine auf in Richtung Altar. Dort angekommen, blieb sie zögernd auf der ersten Stufe stehen und sah sich mehrmals fragend nach ihrer Mutter um. Sie entschied sich dann aber doch, nicht weiter zu gehen, sondern hob den Kopf und sah lange nach oben. Hinauf zu dem Kreuz, das direkt über ihr hing. Hinauf zu dem Gekreuzigten, der mit gesenktem Haupt auf sie herab zu schauen schien. Ich hatte den Eindruck, als ob sie den Blick des gekreuzigten Christus einfangen wollte. So ganz sicher war ich mir dabei aber nicht. Ich dachte mir, was einem Kind wohl bei dem Anblick von Jesus am Kreuz durch den Kopf geht ... Auf einmal rannte das Mädchen zu ihrer Mutter zurück und rief ihr voll Begeisterung entgegen: „ER sieht mich!“
Als ich dies gelesen habe, ist mir Psalm 139 eingefallen: „Ich gehe oder liege, so bist du um mich und siehst alle meine Wege“ (Vers 3 LÜ). Eigentlich könnte man ja dieses „gläserne“ Wissen Gottes – nichts ist und bleibt ihm verborgen, alles liegt offen vor ihm – als bedrohlich und beängstigend empfinden. Nicht so der Psalmist. Er betet weiter: „Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir“ (Vers 5). Dieser Vers spricht von seinem absoluten Vertrauen, das er in Gottes Größe und Güte hat. Er weiß, dass ihn liebende Augen „im Blick haben“, über ihm wachen und fürsorgliche Hände ihn umgeben.
Meine Freundin beendete ihre Mail mit folgenden Worten: Für mich war dieser Ausruf des kleinen Mädchens eigentlich schon Predigt genug. Was für ein guter und befreiender Gedanke: Wir werden von Gott gesehen, wo immer wir sind und was immer wir tun und wie auch immer es uns gehen mag ...
Comments